|   Michael 
                Nittnaus 
                Quelle: Basellandschaftliche Zeitung 28.01. 2010 
              Flüchtlingsgeschichte 
                In wenigen Wochen eröffnet die private jüdische Gedenkstätte 
                in Riehen. Basler Historiker planen dagegen ein offizielles, wissenschaftlicheres 
                Museum.  
              In 
                zwei bis drei Wochen eröffnen Johannes 
                Czwalina und 
                Rudolf Geigy im Riehener Bahnwärterhäuschen an der 
                Inzlingerstrasse ihre Gedenkstätte für jüdische 
                Flüchtlinge während des Zweiten Weltkrieges, wie sie 
                gegenüber der bz bestätigen. Eine offizielle Eröffnungsfeier 
                wird es aber nicht geben.«Sobald wir die Kunstwerke installiert 
                haben, öffnen wir unsere Tür. Ganz im Stillen, ohne 
                viel Tumult», sagt Czwalina im Wissen, dass das Projekt 
                umstritten ist.  
              Besinnung 
                inklusive Buchverkauf  
              Nach 
                dem Bruch mit den Akademikern vom Institut 
                für Jüdische Studien und dem Historischen Seminar 
                der Universität Basel letzten Herbst setzen Czwalina und 
                Geigy nun ihre Vision 
                der Gedenkstätte ohne wissenschaftliche Beratung um. Im Garten 
                wird eine Menora aus Gleisstücken die Besucher empfangen. 
                Im Stall-Vorbau soll ein Relief des kanadischen Künstlers 
                Rick 
                Wienecke an die Situation der jüdischen Flüchtlinge 
                erinnern. Der weitere Weg wird an Tafeln mit Zeitzeugenberichten 
                vorbei in einen Leseraum führen. «In Zusammenarbeit 
                mit Bider und Tanner werden wir auch Bücher zum Thema verkaufen», 
                freut sich Czwalina, und stellt wiederholt klar: «Ziel der 
                Gedenkstätte ist kein umfassender historischer Rückblick, 
                sondern einzelne authentische und emotionale Einblicke in diese 
                schwierige Zeit.»  
              Genau 
                dieser emotional motivierte Umgang mit Geschichte stösst 
                auf Kritik. Ob Gemeindepräsident Willi Fischer, Lukrezia 
                Seiler, Riehener Autorin des Buches «Fast 
                täglich kamen Flüchtlinge», Samuel Althof 
                von der «Aktion Kinder des Holocaust» oder nach wie 
                vor Erik 
                Petry von der Universität Basel – sie alle sagen: 
                «Ein Privatprojekt auf privatem Grund darf alles – 
                aber aus wissenschaftlicher Sicht ist es heikel.» Althof 
                hat zudem kein Verständnis, dass Geigy erst kürzlich 
                ein Angebot eines Neustarts ausschlug. Die Task 
                Force für internationale Kooperation bei Holocaust-Bildung, 
                Gedenken und Forschung (ITF), in der Althof als Mitglied der Schweizer 
                Delegation ist, hätte nämlich ihr Interesse bekundet. 
                «Das wäre eine grosse Chance gewesen», bedauert 
                Althof.  
              Kanton soll 
                Museum unterstützen  
              Interessant: 
                Nicht zuletzt wegen der Gedenkstätte gründete Petry 
                zusammen mit Althof und anderen vor gut einer Woche eine Arbeitsgemeinschaft. 
                Sie trägt den vielsagenden Namen «Museum für Flüchtlingsgeschichte 
                Zweiter Weltkrieg» und hat zum Ziel, die lange wissenschaftliche 
                Auseinandersetzung an einem Ort zusammenzuführen. «Wir 
                wollen uns vom aufgeladenen Begriff der Gedenkstätte lösen 
                und Raum schaffen für einen wissenschaftlichen Diskurs mit 
                didaktischem Konzept», so Petry. Grossen Wert legt die Arbeitsgemeinschaft 
                darauf, dass sie die Idee nur umsetzen, wenn auch der politische 
                Wille vorhanden ist und der Kanton Basel-Stadt dahintersteht. 
                Petry betont dabei: «Momentan stehen wir noch ganz am Anfang. 
                Erst wenn es konkreter wird, unterbreiten wir das Projekt auch 
                dem Kanton.»  
               
                Siehe auch: 
                Gedenkstätte 
                für Juden in Riehen geplant - Radio DRS 
                Persona 
                non grata - Wer ist Johannes Czwalina? Film von Tele Basel 
                Holocaust-Gedenkstätte 
                verliert weiteren Support - Radio DRS  
                Presseerklärung 
                der Aktion Kinder des Holocaust, AKdH vom 04. März 2011 
                 
                Zweiter 
                Weltkrieg: Schweizer Chemie für Nazi-Deutschland  
                 
                Basler 
                Chemiekonzerne waren willige Lieferanten des Nazi-Regimes 
                 
                Welches 
                Museum bietet Flüchtlingen ein Heim?  
                 
                 
                 
               
              Neuer Anlauf für ein Mahnmal  
                Trotz der Gedenkstätte für jüdische Flüchtlinge 
                in Riehen denkt eine Uni-Arbeitsgruppe über ein Museum nach 
                 
                 
                VON CLAUDIA KOCHER  
                Basler Zeitung; 01.02.2011  
              
              Im Riehener Bahnwärterhäuschen 
                wird eine Gedenkstätte für jüdische Flüchtlinge 
                im Zweiten Weltkrieg eröffnet. Eine Gruppe von Historikern 
                überlegt sich eine Alternative.   
               
              Ruhig 
                ist es geworden um die Gedenkstätte für jüdische 
                Flüchtlinge in Riehen. Lange hiess es, Mitte oder Ende November 
                sei die Eröffnung. Doch im September letzten Jahres zog sich 
                das Institut für Jüdische Studien vom Projekt zurück. 
                Die Abteilung der Universität Basel hatte dem Unternehmer 
                Johannes Czwalina zuerst zugesagt, die Informationstafeln für 
                zwei Räume zu gestalten. Czwalina hatte das Bahnwärterhäuschen 
                an der Inzlingerstrasse zusammen mit dem Mäzen Rudolf Geigy 
                gekauft. Grund des Uni-Rückzugs war das Bild des Künstlers 
                Rick Wienecke, das Erik Petry vom Institut für Jüdische 
                Studien «zu emotional» war. Der israelisch-kanadische 
                Bildhauer hat den Ruf eines christlichen Missionars.  
              Czwalina 
                verschob die Eröffnung auf Januar. Nun soll sie Mitte Februar 
                stattfinden, wie Geigy gegenüber der BaZ sagt. Eine offizielle 
                Eröffnung aber wird es dann nicht geben. An ihrer Stelle 
                sei eine Medienkonferenz geplant. Grund für die erneute Verschiebung 
                sei, dass ein Teil des Werks des Künstlers noch unterwegs 
                sei und nach seiner Ankunft noch montiert werden müsse. Gewiss 
                sei es kein wissenschaftliches Werk, sondern ein Denkmal. Doch 
                handle es sich bei dieser Gedenkstätte um ein privates Projekt, 
                das niemanden beleidigen oder stören sollte, findet Geigy. 
                Absicht der Gedenkstätte sei von Anfang an gewesen, die Distanz 
                zwischen der jüdischen und übrigen Gemeinschaft zu überbrücken. 
                «Doch dieses Wunschziel geriet in falsche Kanäle», 
                so Geigy.  
              konflikt. 
                Czwalinas Suche nach weiterer Unterstützung für eine 
                historische Dokumentation war bisher ohne Erfolg. Auch die 
                Israelitische Gemeinde Basel wollte sich nicht zu einer Zusammenarbeit 
                verpflichten. Und die Aktion Kinder des Holocaust (AKDH) sagte 
                ebenfalls ab. Dies nach einem Treffen mit Czwalina und einem Telefonat 
                mit Geigy, der laut Samuel Althof von der AKDH gesagt hatte, dass 
                es sich um einen spirituellen Konflikt handle. Ob Geigy den Konflikt 
                um das Riehener Denkmal gemeint habe oder den Holocaust an sich, 
                weiss Althof nicht. Geigy meint dazu, dass sich der spirituelle 
                Aspekt wohl auf beide Konfliktsituationen anwenden liesse.  
              Eine 
                Arbeitsgruppe, zusammengesetzt aus Althof, Petry sowie weiteren 
                Personen aus dem Umfeld der geschichtswissenschaftlichen Arbeit 
                über den Zweiten Weltkrieg, hat sich kürzlich getroffen, 
                um über eine eigene Gedenkstätte nachzudenken, wie die 
                «Basellandschaftliche Zeitung» berichtete. Die Arbeitsgemeinschaft 
                nennt sich «Museum für Flüchtlingsgeschichte Zweiter 
                Weltkrieg». Man wolle der Frage nachgehen, ob ein Bedürfnis 
                für ein solches Museum bestehe und wie dies didaktisch angemessen 
                gestaltet werden könne. Dies unter anderem deswegen, weil 
                die Gefahr bestehe, dass die Gedenkstätte in Riehen doch 
                Schulklassen anziehen könnte. «Das Schlimmste wäre, 
                wenn die Basler Regierung das Projekt begrüssen und damit 
                die Gedenkstätte aufwerten würde», sagt Althof. 
                 
              verlockend. 
                Noch steckt die Uni-Arbeitsgruppe im Status der gedanklichen Skizzen. 
                «Mit wissenschaftlichem Know-how könnte ein Museum 
                erarbeitet werden», so Althof. Für Petry ist klar, 
                dass auch politischer Wille da sein muss. Die Diskussion sei auf 
                jeden Fall interessant, weil ja auch über ein «Haus 
                der Geschichte» oder die Kantonsgeschichte diskutiert werde. 
                 
              Das 
                Buch «Orte 
                der Erinnerung», dessen Herausgeber Petry unter anderen 
                ist, thematisiere verschiedene Orte im Kanton. Dennoch sei die 
                Vorstellung, diese Erinnerungen an einem einzigen Ort präsentieren 
                zu können, verlockend, findet Petry. Dass es aber eine didaktische 
                Herausforderung sei, sei ihm bewusst. An einer Holocaust-Gedenkstätte 
                oder einem Mahnmal für Flüchtlinge könne man nicht 
                einfach Schulklassen hinstellen und sagen: «Guckt mal, wie 
                furchtbar.»  
              alter 
                auftrag. Vor 14 Jahren hatte der damalige SP-Grossrat Hanspeter 
                Kehl die Basler Regierung angefragt, ob sie bereit sei, in Zusammenarbeit 
                mit dem Kunstkredit ein Mahnmal für abgewiesene Flüchtlinge 
                des Zweiten Weltkriegs zu schaffen. Der Anzug wurde vom Grossen 
                Rat an die Regierung überwiesen. Die positive Antwort folgte 
                knapp drei Jahre später.  
              «Die 
                Schaffung eines Mahnmals für die abgewiesenen Flüchtlinge 
                des Zweiten Weltkriegs und eines Ehrenmahnmals für die Menschen, 
                die den Flüchtlingen Hilfe leisteten, würde nicht nur 
                bedeuten, Vergangenes zu ehren, sondern vor allem aus der heutigen 
                Zeit das Geschehene zu thematisieren und aufzuarbeiten», 
                schrieb die Regierung. Und weiter: «Der Regierungsrat hat 
                deshalb die Kunstkreditkommission beauftragt, die formellen und 
                inhaltlichen Rahmenbedingungen für die Durchführung 
                eines Wettbewerbs für die Schaffung eines Mahnmals zu prüfen.» 
                 
              Was 
                aus der Sache geworden ist, weiss bis jetzt niemand. Laut Kehl 
                sei das Projekt in der Kunstkreditkommission versandet. Auch dort 
                weiss zurzeit niemand Bescheid. Das Graben in den Akten wird noch 
                eine Weile dauern.  
               
               
              Siehe auch: 
                Sturm 
                am Bahnwärterhüsli (Jüdische Allgemeine) 
                Eine Gedenkstätte 
                für Juden aus christlicher Initiative - Radio Live Channel 
                Ester 
                Foundation (Finazierung der Gedenkstätte im Bahnwärterhäuschen: 
                Die Stiftung unterstützt ferner Institutionen und Individuen, 
                deren Hilfeleistung einen gemeinnützigen und wohltätigen 
                Zweck darstellt und unmissverständlich der Förderung 
                des Reiches Gottes dient.) 
              
               
              
               
                Riehener Gedenkstätte öffnet ihre Tore  
                Mahnmal. Ab heute kann man sich selbst vor Ort ein Urteil 
                bilden, ob die Kritik an der Gedenkstätte gerechtfertigt 
                ist  
                 
                Von Michael Nittnaus 
                Basellandschaftliche Zeitung 23.02.2011 
               
               
              Unwissenschaftlich, 
                rein emotional, unvollständig, ohne didaktisches Konzept, 
                missionarisch. Die Kritik am privaten Projekt der Gedenkstätte 
                für jüdische Flüchtlinge während des Zweiten 
                Weltkriegs war in den letzten Monaten äusserst hart. Das 
                hielt die Initianten Rudolf Geigy und Johannes Czwalina allerdings 
                nicht davon ab, ihre Vision eines Mahnmals doch konsequent umzusetzen. 
                Gestern stellten sie den umgebauten Stall des Riehener Bahnwärterhäuschens 
                an der Inzlingerstrasse 44 vor.  
              Zwei 
                Köpfe, zwei Meinungen  
              Ganz 
                übereinstimmend scheinen die Visionen der beiden Charakterköpfe 
                allerdings nicht zu sein: Glaubt man Czwalina, öffnet die 
                Gedenkstätte heute um neun Uhr ihre Tore für die Öffentlichkeit 
                und kann künftig frei betreten werden. Glaubt man Geigy, 
                bleibt die Tür verschlossen und Interessierte können 
                nur auf Anfrage einen Blick hinein werfen. Während Geigy 
                bei einer unbetreuten Öffnung Schmierereien befürchtet, 
                sagt Czwalina: «Ich bin nicht so ängstlich und vertraue 
                darauf, dass niemand diesen Ort des Gedenkens verschandelt.» 
                 
              Ebenso 
                unterschiedlich war die Auffassung der beiden, was genau alles 
                zur Gedenkstätte dazugehört: Geigy, dessen Stiftung 
                Esther Foundation für den kompletten Umbau des Stalles in 
                einen Ruheraum aufkam und auch die beiden Kunstwerke des kanadisch-israelischen 
                Künstlers Rick Wienecke beisteuerte, sagt: «Das ist 
                die eigentliche Gedenkstätte. Der Leseraum mit Cafeteria 
                ist die Sache von Johannes Czwalina.» Dieser entgegnet: 
                «Der Leseraum mit Büchern zum Thema legitimiert das 
                Mahnmal eigentlich erst, weil er unsere Aussage mit weiteren Inhalten 
                ergänzt.» Klar im Zentrum der Gedenkstätte stehen 
                die Kunstwerke von Wienecke: Das Bronze-Relief «Forsaken» 
                («Im Stich gelassen») kann nun erstmals in seiner 
                Gesamtheit bewundert oder kritisiert werden. Wienecke, der aus 
                Israel einflog, verheimlicht nicht: «Bei meinen Werken gibt 
                es auch immer einen spirituellen Aspekt.» Die Aussage könnte 
                deutlicher kaum sein: Jüdische Flüchtlinge versuchen, 
                durch eine kleine Lücke in der Decke in die Schweiz zu entkommen. 
                Die Videoinstallation mit Filmarchivaufnahmen der Cinémathèque 
                Lausanne darüber zeigt Schweizer, die ihren Alltag leben 
                – ungeachtet des Leids der Flüchtlinge.  
              Das 
                zweite Kunstwerk steht im Vorgarten: «Rail Menora» 
                ist ein sechsarmiger Leuchter, den Wienecke aus Gleisstücken 
                geformt hat. «Die sechs Arme stehen für die sechs Millionen 
                getöteten Juden, aber auch für die sechs grössten 
                Konzentrationslager, zu denen die Gleise führten», 
                erklärt der Künstler.  
              «Wir 
                wollen mit der Ausstellung der Werke nicht polarisieren. Wir wollen 
                aber einen Raum bieten, in dem auch wirklich getrauert werden 
                darf», sagt Czwalina und setzt damit eine Spitze gegen das 
                Projekt der Arbeitsgruppe «Museum für Flüchtlingsgeschichte 
                Zweiter Weltkrieg» (siehe Kasten). Und Geigy nennt die Gedenkstätte 
                ein «Nicht-vergessen-Mahnmal». Auch wenn die beiden 
                Initianten keine offizielle Einweihungsfeier mit geladenen Politgrössen 
                machten, hofft Czwalina auf Anerkennung: «Wir bauen darauf, 
                dass Riehen uns als echte Erweiterung ihres kulturellen Angebotes 
                begrüsst.»  
              «Wir 
                wollen einen Raum bieten, in dem auch wirklich getrauert werden 
                darf.» 
                Johannes Czwalina, Mitgründer  
                 
              Petry: 
                «Czwalina soll sich direkt bei mir melden»  
              Das 
                Bahnwärterhäuschen an der Inzlingerstrasse hat noch 
                weitere Räume, die nicht zur Gedenkstätte gehören. 
                Besitzer Johannes Czwalina benutzt sie als Gästezimmer für 
                seine Unternehmensberatung. Gegenüber der bz bekräftigt 
                er aber: «Ich wäre nach wie vor bereit, der Uni Basel 
                das gesamte Haus und die Planungshoheit zu überlassen, damit 
                sie es nach ihrem Gutdünken gestalten könnte.» 
                Einzige Ausnahme: Der Stall mit dem Relief muss bleiben. «Von 
                diesem Angebot weiss ich nichts», enerviert sich Mit-Initiant 
                Rudolf Geigy, sagt aber auch: «In seinem Teil vom Haus darf 
                Czwalina machen, was er will. Meine Gedenkstätte ist der 
                Stall.» Erik Petry vom Institut für Jüdische Studien, 
                der nun ein eigenes Museumsprojekt für Basel aufgleist, ist 
                erstaunt über das grosszügige Angebot, winkt aber ab: 
                «Wenn es Czwalina wirklich ernst ist, dann soll er sich 
                direkt bei mir melden und das nicht über die Presse mitteilen.» 
                Da Petrys Hauptkritikpunkt, das Relief, allerdings bleiben muss, 
                ist das Angebot eventuell doch nicht ganz so grosszügig. 
                (mn)  
              Sie 
                auch: 
                Medienpräsentation "Jüdische 
                Gedenkstätte" 
              
               
               
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