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  Präventionsarbeit Rechtsextremismus gefährdet
  Leserbrief / Presseerklärung vom 1. März 2003
"Das Wort Nationalsozialismus sei an und für sich nichts Anstössiges, es beinhalte lediglich eine positive Grundhaltung gegenüber der Nation." (Basler Zeitung vom 2003-02-28 [ zum Artikel ]).

Diese Äusserung stammt von Franz Kohler, Leiter der Basellandschaftlichen Anlauf- und Beratungsstelle Rechtsextremismus für ausstiegswillige Jugendliche und Mitglied der Eidgenössischen Kommission für Jugendfragen, EKJ.

siehe auch:
Franz Kohler dementiert
Die Aktion Kinder des Holocaust, AKdH fordert den Rücktritt von Franz Kohler

Mit Bestürzung und Unverständnis nehmen wir diese verharmlosende Aussage zur Kenntnis. Der Begriff Nationalsozialismus ist unverrückbar mit der industriellen Vernichtung von Millionen unschuldiger Menschen verbunden. Dieser an einer mörderischen Endlösung orientierten Ideologie "eine positive Grundhaltung gegenüber der Nation" attestieren zu wollen, bedeutet die historische Realität zu leugnen!

Es ist inakzeptabel, wenn Franz Kohler, der - wie auch die AKdH - durch die Unterscheidung zwischen symptomatischen und programmatischen Rechtsradikalen, eine Differenzierung der heutigen Problematik fordert, kurz darauf - mit der Aussage "Das Wort Nationalsozialismus sei an und für sich nichts Anstössiges" den Begriff Nationalsozialismus aus dem historischen Kontext reisst und damit wichtige Grundlagen der heutigen Präventionsarbeit, nicht nur innerhalb der wichtigen und unentbehrlichen Basellandschaftlichen Anlauf- und Beratungsstelle Rechtsextremismus für ausstiegswillige Jugendliche, gefährdet.

Die AKdH, die seit vielen Jahren in der Rechtsextremismusprävention tätig ist und Franz Kohler im Februar 2001 zu einem Vortragabend zum Thema "Gewalttätiger Jugendextremismus" eingeladen hatte, distanziert sich von dieser undifferenzierten, gefährlichen und naiven Meinung, denn sie birgt leider auch die Lesart einer Unterstützung rechtsextremer Jugendlicher.
Wir hoffen, dass Franz Kohler sich unmissverständlich und in aller Deutlichkeit von seiner Aussage distanziert.

Anm: Eine telefonische Nachfrage am 28.02.2003 bei der Journalistin Franziska Laur ergab, dass Franz Kohler den Text des Artikel gegengelesen und keine Korrekturen im Text verlangt hat.

Reaktionen:
«Klares Dementi ist nötig»

Reaktionen der rechtsextremen Szene
Franz Kohler dementiert   03.März 2003

21. Mai 2003: Die Aktion Kinder des Holocaust, AKdH fordert den Rücktritt von Franz Kohler als Leiter der Basellandschaftlichen und Baselstädtischen Anlauf- und Beratungsstelle Rechtsextremismus für ausstiegswillige Jugendliche  ...weiter


Links zum Thema:
Was ist Nationalsozialismus?
Dokumente zum Nationalsozialismus
"Was tun gegen Rechtsextremismus"
Die Nürnberger Prozesse 1945 - 1949
Informationsdienst gegen Rechtsextremismus
Deutschsprachiges Internetportal zum Thema Shoah und Holocaust





Der Artikel aus der Basler Zeitung vom 28.02.2003
Rechtsextremisten von einst wurden politischer

Die Zeiten, als gewalttätige Rechtsextreme insbesondere im Fricktal umgingen, scheinen vorbei zu sein. Doch nationalsozialistisches Gedankengut ist präsent und kann nicht unter den Tisch gewischt werden. Der Jugendarbeiter Franz Kohler ruft nach offenen Gesprächen.

Fricktal. Vor gut drei Jahren jagten sich die Berichte über gewalttätige Auseinandersetzungen von rechtsextremen Jugendlichen im Fricktal. Es ist ruhiger geworden. Doch das nationalsozialistische Gedankengut hat sich nicht einfach in Luft aufgelöst. Viele von den einst radikalen, gewalttätigen jungen Leuten sind politischer geworden. Dies bestätigt auch der Mediensprecher des Bundesamtes für Polizei, Daniel Dauwalder: «Gerade in der Nordwestschweiz nimmt die Tendenz zur Politisierung zu.»

Provozieren und sich abgrenzen

Wird das nationalsozialistische Gedankengut unter Jugendlichen verdrängt? Im untenstehenden Interview beklagen sich zwei, dass sie nicht über ihre Einstellung sprechen könnten. Wahrheit oder Einbildung? Der Jugendarbeiter Franz Kohler beschäftigt sich seit Jahren mit rechtsextremistischen Jugendlichen. Er wurde beauftragt, für Basel-Stadt und Baselland die Verbreitung und Entwicklung des Rechtsextremismus unter Schweizer Jugendlichen zu erheben.

«Es ist tatsächlich so, dass die Gesellschaft dieses Thema von sich wegschiebt und schubladisiert, während die Jugendlichen den Dialog suchen und nicht erreichen», sagt Franz Kohler. Wie er weiter ausführt, sind Jugendliche in einem Identitäts-Bildungsprozess. Dazu gehöre, zu provozieren und sich deutlich abzugrenzen. Es gehöre aber auch dazu, sich an politische Themen zu wagen und sich so Struktur zu geben. Das Wort Nationalsozialismus sei an und für sich nichts Anstössiges, es beinhalte lediglich eine positive Grundhaltung gegenüber der Nation. Nun würden aber in unserer Gesellschaft diese appellativen Signale nicht aufgenommen oder die jungen Leute erfahren Ablehnung.

«Zweierlei öffentliche Reaktionen auf rechtsextremistische Umtriebe können beobachtet werden: die Nichtwahrnehmung und die Überzeichnung. Beide Reaktionen sind nun aber geeignet, den Einsatz rechtsextremer Symbole und rechtsextremen Handelns zu stimulieren», sagt Franz Kohler. In beiden Reaktionen, einerseits dem Ignorieren, anderseits dem Überspitzen, sei die gleiche Verhaltensweise enthalten, die die jungen Nationalsozialisten selber an den Tag legen. Genau an diesen Punkten sieht Franz Kohler einiges an Gesprächsbedarf. Die gesellschaftliche Hemmung, sich mit den politischen und ideologischen Ideen dieser Patrioten auseinander zu setzen, kommt nicht von ungefähr. Tatsächlich ist die «Partei national orientierter Schweizer» (PNOS) eine Partei mit extremen Weltanschauungen. Die Mitglieder der PNOS kämpfen «für eine freie und selbstbewusste Schweiz, für den Abbau des Ausländerbestandes und für ein Europa der Vaterländer», steht in ihrer Zeitschrift «Zeitgeist».

Auf die Nationalratsliste

Vertreter der PNOS planen, an kantonalen und nationalen Wahlen teilzunehmen. So will der Alt-Grossrat der Nationalen Aktion, Eric Weber, für einen Nationalratssitz auf der PNOS-Liste in Basel-Stadt kandidieren. Gleich ihm plant PNOS-Präsident Sascha Kunz, sich auf die Liste setzen zu lassen. Auch in Baselland wollte die PNOS politisch mehr Einfluss nehmen. Sie hatte für die Baselbieter Landratswahlen vom 30. März schon Listennummern zugeteilt bekommen, liess die Einreichefrist jedoch ungenutzt verstreichen.

Der politische Kurs tönt sehr extremistisch und rechtsradikal. Auf der parteieigenen Webseite ist viel von Kampf die Rede. Kampf auch gegen den «Unrechtstaat» und die «linke Unterwanderung».

Daniel Dauwalder vom Bundesamt für Polizei sagt dazu: «In den 90er Jahren standen eher Asylsuchende im Kreuzfeuer, heute werden die Fronten zwischen links und rechts aufgeschaukelt.» Gesamtschweizerisch habe sich die Situation der Rechtsextremisten auf relativ hohem Niveau stabilisiert. So seien zwischen 950 und 1000 Mitglieder von rechtsextremen Gruppierungen registriert.

Geschichte nicht verleugnen

Jugendarbeiter Franz Kohler appelliert nun an das gesellschaftliche Verständnis und die Gesprächsbereitschaft: «Jugendliche und junge Erwachsene bedienen sich rechtsextremer Symbole und Embleme, um uns Erwachsene herauszufordern. Hinter dieser Provokation ist ein Bedürfnis zu erkennen, in den Dialog und die Auseinandersetzung zu gelangen.» Seiner Ansicht nach ist die Öffentlichkeit gefragt; lokale Politiker beispielsweise, Fachleute, die in der rhetorischen Auseinandersetzung erprobt seien. Diese sollten einmal mit den Jugendlichen an einen Tisch sitzen und solche Themen besprechen.

Der SP-Grossrat Martin Troller aus Münchwilen zeigt unter Vorbehalten Gesprächsbereitschaft: «Ich hätte keine Mühe, doch wir bekamen nie eine Anfrage.» Falls eine Gesprächskultur herrsche und die Jungen sich selbst bemühen würden, sei er unter einer Voraussetzung zur Diskussion bereit: «Man darf Geschichte, die hundert Mal geschrieben wurde, nicht verleugnen», sagt der SP-Politiker dezidiert.

Der SVP-Ständerat aus Gipf-Oberfrick, Maximilian Reimann, hat da weniger Musikgehör: «Ich will nicht mit Leuten zusammenkommen, die sich mit nationalsozialistischen Gedanken auseinander setzen», sagt er. Der Nationalsozialismus habe Europa derart schweren Schaden zugefügt. «Leute mit solchen Ideen brauchen einen Seelsorger und keine Politiker.»

Franziska Laur


Zitat sorgt für Wirbel
«Klares Dementi ist nötig»
QU: Baslerstab, 04.03.03

Verharmlost der Sozialarbeiter Franz Kohler den Nationalsozialismus?

Es ist ein indirektes Zitat, das es in sich hat: «Das Wort Nationalsozialismus sei an und für sich nichts Anstössiges, es beinhalte lediglich eine positive Grundhaltung gegenüber der Nation.» Laut einem BaZ-Artikel soll sich niemand anderes als Franz Kohler so ausgedrückt haben. Kohler leitet im Auftrag der beiden Basler Halbkantone die Anlauf- und Beratungsstelle für Neonazis.

«Verharmlosende Worte»
Der Wirbel um dessen vermeintliche Worte ist entsprechend gross: «Mit Bestürzung und Unverständnis nehmen wir diese verharmlosende Aussage zur Kenntnis», teilt die Aktion Kinder des Holocaust in einer Stellungnahme mit. Die Gruppe fordert Kohler auf, sich «unmissverständlich und in aller Deutlichkeit» von diesem Zitat zu distanzieren.
Auch die staatlichen Fachstellen reagieren mit Irritation auf den Artikel, so Marc Flückiger von der Abteilung Jugend, Familie und Prävention im Justizdepartement Basel: «Wir konnten Franz Kohler noch nicht erreichen, aber es besteht für uns hier dringender Erklärungsbedarf.» Der Sozialarbeiter würde deshalb noch zu einem Gespräch einbestellt.
Stephan Mathis von der Justiz-, Polizei- und Militärdirektion in Liestal hat mit Kohler bereits Kontakt aufgenommen: «Nach seinen Angaben ist Kohler falsch zitiert worden. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass er dies gesagt haben soll», so der Direktionssekretär. «Es ist nun wichtig, dass Kohler die Möglichkeit gegeben wird, das Geschriebene zu korrigieren und zu präzisieren», fordert Mathis. Entsprechende Bemühungen seien im Gange.

Franz Kohler dementiert
Franz Kohler, der gerade in den Ferien ist, distanziert sich gegenüber dem Baslerstab von dem umstrittenen Zitat: «So habe ich das selbstverständlich nicht gesagt. Ich betrachte den Nationalsozialismus auf seinem historischen Hintergrund natürlich als problematisch.» Dem Zitat läge ein Missverständnis zu Grunde, erklärt Kohler: «Ich habe lediglich gesagt, dass die Worte ‹national› und ‹Sozialismus› für sich allein noch nicht verwerflich sind.»
Die Autorin des BaZ-Artikels, Franziska Laur, reagiert verwundert auf diese Einwände: «Franz Kohler hat den Text gegengelesen…»
Jan Fischer


Reaktionen der rechtsextremen Szene:

Darf der Nationalsozialismus an und für sich nichts Anstössiges sein?
Am vergangenen Freitag berichtete die "Basler Zeitung" einmal mehr über die sogenannte "braune Gefahr", also über den Rechtsextremismus. In diesem Bericht kam auch Franz Kohler zu Wort, seineszeichen Leiter der Anlauf- und Beratungsstelle für Rechtsextremismus in den Kantonen Baselland und Basel-Stadt. Franz Kohler erklärte in diesem Text, welche über junge Nationalsozialisten handelt, dass "das Wort Nationalsozialismus an und für sich nichts Anstössiges sei, es beinhalte lediglich eine positive Grundhaltung gegenüber der Nation". Diese Aussage ist für Samuel Althof von der "Aktion Kinder des Holocaust" (AKDH) völlig inakzeptabel, weil der Begriff Nationalsozialismus "unverrückbar mit der industriellen Vernichtung von Millionen unschuldiger Menschen verbunden" ist. Die AKDH hofft nun, dass sich Franz Kohler unmissverständlich und in aller Deutlichkeit von seiner Aussage distanziert. Auch die staatlichen Fachstellen reagierten verwirrt auf Franz Kohlers Nationalsozialismus-Verharmlosung. Gegenüber der Zeitung "Baslerstab" erklärte Franz Kohler, welcher gerade in den Ferien weilt, dass er das selbstverständlich nicht gesagt hat und dass es sich dabei um ein Missverständnis handelt. Der Autor der "Basler Zeitung" bestätigte jedoch am vergangenen Freitag gegenüber der AKDH, dass Franz Kohler den Text des Artikels gegengelesen und keine Korrekturen im Text verlangt hat.
Anhand von diesem kleinen Einzelfall erkennt man einmal mehr, wie gefährlich solche Aussagen sein können. Kohler liegt mit seiner Aussage, dass der Nationalsozialismus an und für sich nichts Anstössiges sei, richtig. Man kann doch eine nationalsozialistische Weltanschauung befürworten, ohne dass man dabei die Vernichtung von Millionen Menschen gutheisst. Es käme doch auch kein Mensch auf die Idee den Kapitalismus oder die Demokratie zu verteufeln, nur weil Staaten mit diesen Systemen Greueltaten begannen haben. Es ist – der Sachlichkeit wegen – unbedingt notwendig zwischen dem Nationalsozialismus und Hitler respektive dem Dritten Reich zu unterscheiden.
Qu: www.freiestimme.ch



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