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Nazi-Jäger aus Münchenstein seit zehn Jahren aktiv
«Wir suchen das Gespräch»
QU: Baslerstab 22. Oktober 2001

Die Aktion Kinder des Holocaust ist weltweit bekannt. Man nennt Sie «private Internet-Nazi-Jäger». Zurzeit kämpfen Sie gegen den US-Nazi Gary Lauk. Wie gehen Sie bei Ihrer «Nazi-Jagd» vor?


 


Samuel Althof: Wenn es um Internet-Seiten geht, versuchen wir, herauszubekommen, wer sie erstellt hat, und gehen strafrechtlich gegen den Urheber vor. Das geschieht in Zusammenarbeit mit einigen Providern. Wenn es nicht gelingt, den Webmaster zu identifizieren, arbeiten wir darauf hin, dass die Seite gelöscht wird.

Wer genau engagiert sich in Ihrer Organisation?
Über Grösse und Profil unserer Gruppe informieren wir nicht. Es gibt drei Sprecher und sonst keine öffentlichen Kriterien.

Warum diese Heimlichkeit? Werden Sie bedroht?
Wir orten verschiedene Bedrohungen: Von Drohbriefen über Morddrohungen und Diffamierungen bis zu ausgeklügelten Attacken. Zum Beispiel Versuche, Trojaner in unsere Systeme einzuschleusen.

Hat Ihr Engagement nicht etwas von einem Kampf gegen Windmühlen?
Kommt darauf an, wie man das gewichtet. Gerade haben wir einen 16-Jährigen erwischt, der über eine Neonazi-Seite Viren ins Internet eingespeist hat. Wir konnten ihn identifizieren. Er muss sich jetzt über das Jugendstrafrecht für seine Handlungen erklären. Zusätzlich haben wir ihm den Dialog angeboten, nach dem Motto: «Was ist los mit dir?» In diese Arbeit beziehen wir Sozialinstitutionen ein. Jeder jugendliche Nazi, mit dem wir ins Gespräch kommen, ist ein Fortschritt – für ihn und für uns.

Was ist das beste Mittel im Kampf gegen Rechts?
Es gibt keine Lösung für dieses Problem, nur ein Handling. Bei Jugendlichen liegt die Motivation, Neonazi zu werden, in einer Identitätsproblematik. Sie definieren ihre Identität, indem sie sich gegen etwas abgrenzen.

Ist das nicht eine gefährliche Verharmlosung?
Nein. Junge Neonazis in der Schweiz sind nicht politisch. Man muss zwischen jüngeren und älteren Neonazis sowie programmatischen und nichtprogrammatischen Neonazis unterscheiden. Es gibt auch Unterschiede, zwischen der deutschen und der Schweizer Neonaziszene. In Deutschland existiert eine Terrorszene, in der Schweiz quasi nicht. Schweizer Rechtsextreme kommen meist aus der Mittelschicht und wohnen in Gegenden, wo nicht viele Ausländer leben.

Wie kann sich der Normalbürger gegen Rechtsextremismus engagieren?
Man muss die Berührungsängste verlieren. Wo Beziehungen entstehen, kann kommuniziert werden. Und das ist ein wichtiges Instrument zur Integration dieser Menschen.

Welches Ziel haben Sie?
Wir wollen eine Gesellschaft, in der die Menschen gleichwertig sind. Unser Ziel ist jedoch nicht, dieses Ideal zu erreichen. Unser Ziel ist es, auf dieses Ziel hinzuarbeiten.
Interview: Jan Fischer

Dienstag, 23. Oktober 2001, um 20 Uhr: Chat über Nazi-Skinheads bei www.akdh.ch mit dem Baselbieter Szenekenner Franz Kohler.








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