Massive Zunahme rassistischer Webseiten
Wegen umstrittener Rechtslage hält sich die Bundespolizei noch zurück

Sonntags Zeitung 15. August 1999

Basel - Samuel Althof, Sprecher der Aktion Kinder des Holocaust (AKdH) in Basel, schlägt Alarm: «Die rassistischen und antisemitischen Webseiten auf dem Internet nehmen massiv zu.» Nach Angaben des deutschen Bundesamts für Verfassungsschutz bestehen über 1400 Homepages von Rechtsradikalen im Internet. Althof ortet daher dringenden Handlungsbedarf. Auch für die Schweiz: «Die Bundespolizei, die für die Präventionsarbeit in diesem Bereich zuständig ist, müsste entschiedener vorgehen.» Die Bupo habe ein Positionspapier über die strafrechtliche Verantwortung von Internetprovidern erarbeitet, kontert Chef-Stellvertreter Jürg Bühler.Zur Frage, ob sich ein Provider strafbar mache, der rassistische Informationen eines Servers auf seiner Infrastruktur lediglich durchleite, erarbeite das Bundesamt für Justiz bis Oktober dieses Jahres aber noch ein Gutachten.

Die Lücke versucht die private AKdH, ein internationaler Zusammenschluss von Nachkommen Überlebender des Holocaust, zu schliessen. Die AKdH macht die Vereinigung Schweizer Provider auf antisemitische und rassistische Webseiten aufmerksam, und sie leitet auch rechtliche Schritte ein: Da der deutsche Ableger der Internetbuchhandlung Amazon das in Deutschland und der Schweiz verbotene antisemitische Buch «Geheimgesellschaften und ihre Macht im 20. Jahrhundert» von Jan Van Helsing in englischer Sprache anbietet, reichte die Aktion am Mittwoch in München Strafanzeige ein.

Im Zentrum der AKdH stand in den letzten Wochen der Kampf gegen die Webadresse www.jewwatch.com. Auf diesem Internetanschluss aus den USA wird der Eindruck einer jüdischen Weltverschwörung erweckt. Die AKdH versuchte die Verantwortlichen des amerikanischen Servers Sprint.net davon zu überzeugen, diese antisemitischen Seiten zu sperren. Weil die Aktion nichts brachte, forderte Althof alle Schweizer Internetprovider zur Sperrung von jewwatch auf.

Unternehmen wie Sunrise, Datacomm oder die Swisscom-Abteilung IP Plus, welche The Blue Window und andere Provider beliefert, folgten der Forderung. Auf anderen Servern kann jewwatch indes weiterhin abgerufen werden. Ohne richterliche Verfügung sperre SwissOnline keine Internetadresse, erklärt SwissOnline-Kommunikationsleiter Eric Zeller, «sonst riskieren wir, von Betreibern haftbar gemacht zu werden». Auch CompuServe weigerte sich. Bereits letztes Jahr hatte dieser Provider die Empfehlung der Bundespolizei, die rechtsextreme Internetadresse www.ostara.org zu sperren, nicht befolgt. CompuServes Begründung: Diese Seite werde nicht von CompuServe gehosted.

Iso Ambühl

 
 


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