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akdh buchtip: schweiz — zweiter weltkrieg / die schweiz und die juden


«Wo es hell ist, dort ist die Schweiz»
Flüchtlinge und Fluchthilfe an der Schaffhauser Grenze zur Zeit des Nationalsozialismus

Battel, Franco
Reihe: Schaffhauser Beiträge zur Geschichte, Verl. Chronos, Zürich
336 S. 22 Abb. Geb.
ISBN 3-905314-05-3


Mittlerweile liegt eine Fülle von Untersuchungen vor, welche die Schweizer Flüchtlingsgeschichte zur Zeit des Nationalsozialismus detailliert abbilden und reflektieren. Was aber geschah in den Kantonen? Darüber ist bisher nur wenig bekannt. Diese Lücke zu füllen ist von einiger Bedeutung, da den Kantonen bei der Durchsetzung der Flüchtlingspolitik eine gewichtige Rolle zukam. Franco Battel untersucht in seiner Arbeit die Schaffhauser Flüchtlingspolitik. Auch wenn dieser Kanton nie im eigentlichen Zentrum der Fluchtbewegung stand, war er aufgrund seiner langen und unübersichtlichen Grenze gleichwohl ein beliebter Fluchtpunkt.

Dem damaligen Geschehen an der Schaffhauser Grenze kommt eine überregionale Bedeutung zu. Waren beispielsweise die in Bern formulierten Weisungen und die konkrete Praxis an der Grenze deckungsgleich? Das Buch zeigt, dass die Schaffhauser Fremdenpolizei in den ersten Jahren des Nationalsozialismus repressiver gegen kommunistische Flüchtlinge vorging, als sie dies gemäss eidgenössischer Weisungen hätte tun müssen. Erst ab 1942 entwickelte sich vor allem gegenüber jüdischen Flüchtlingen eine Schaffhauser Praxis, die humaner war als die Vorgaben aus Bern. Dass es von der Deportation bedrohten Jüdinnen und Juden überhaupt gelang, sich bis an die Schaffhauser Grenze durchzuschlagen und diese zu überwinden, war meistens der Ortskenntnis von Fluchthelferinnen und Fluchthelfern zu verdanken. Mittels Polizei- und Gerichtsakten, aber auch autobiografischen Texten und Interviews mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zeichnet der Autor verschiedene Fluchtwege nach und stellt die Frage nach den Motivationen für die Fluchthilfe.

Die Arbeit vermittelt eine Gesamtschau, die über die Kriegsjahre und einzelne Flüchtlingskategorien hinaus auch die Aufnahme- und Rückweisungspraxis, beispielsweise gegenüber entwichenen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitsflüchtlingen, vergleicht und auch das Verhältnis zwischen der jüdischen Gemeinde und den Flüchtlingen sowie die Wechselbeziehungen zwischen der Schaffhauser Arbeiterbewegung und den kommunistischen Flüchtlingen untersucht.

 

Was wird aus uns noch werden?
Briefe der Lörracher Geschwister Grunkin aus dem Lager Gurs, 1940–1942

Lukrezia Seiler, (Hg.)

ISBN 3-905314-16-9
Verlag: Chronos, Zürich


Vor 60 Jahren, am 22. Oktober 1940, wurden über 6500 Juden aus Baden, der Pfalz und dem Saarland in das Internierungslager Gurs am Fusse der Pyrenäen deportiert. In diesem überfüllten Lager, in welchem Hunger, Kälte, Morast und unbeschreibliche hygienische Zustände herrschten, wurden die Vertriebenen fast zwei Jahre lang gefangen gehalten: Viele starben, einige wenige konnten das Lager verlassen, ein grosser Teil wurde im Herbst 1942 nach Auschwitz deportiert und umgebracht.
Auch in der südbadischen Kreisstadt Lörrach wurden an jenem Morgen die letzten noch in der Stadt verbliebenen Juden zusammengetrieben, auf Lastwagen verfrachtet und abtransportiert. Unter ihnen befanden sich die Geschwister Marie und Josef Grunkin, 27 und 31 Jahre alt, zusammen mit ihrer Mutter Fanny Grunkin. Aus dem Elend des Lagers schrieben die Geschwister viele Briefe an ihre in der Schweiz verheiratete Schwester Rosa, schilderten ihre Not und baten um Hilfe, vor allem für die alte Mutter. Es gelang denn auch wirklich, die Mutter im Frühjahr 1941 in die Schweiz zu holen, doch alle Gesuche an die Eidgenössische Fremdenpolizei, auch für die Geschwister eine Einreisebewilligung zu erhalten, wurden abgelehnt.
Die erhalten gebliebenen 32 Briefe und Karten stehen im Zentrum des Buches. Sie geben Einblick in die schrecklichen Zustände im Lager Gurs. Sie zeugen aber auch vom Mut und Durchhaltewillen der beiden Geschwister, die versuchten, im Elend des Lageralltags so etwas wie Normalität zu leben. Erst in ihren letzten Briefen steigt eine Vorahnung auf vom schrecklichen Schicksal, das sie erwartet. Marie Grunkin wurde am 6. August 1942 mit dem ersten Deportationszug aus Gurs nach Auschwitz transportiert und dort umgebracht; Josef Grunkin wurde anfangs September deportiert, musste aber noch über zwei Jahre die Hölle von Auschwitz erleiden, bevor auch er anfangs 1945 in Buchenwald ermordet wurde.
Das Buch enthält neben den Briefen aus Gurs eine kurze Lebensgeschichte der Geschwister Grunkin vor ihrer Deportation und eine Darstellung der Deportation der Lörracher Juden anhand von Zeitzeugenberichten und Fotos. Vor allem die Rolle der Schweiz, welche einige Mitglieder der Familie Grunkin rettete, den andern aber jede Hilfe verweigerte, wird anhand von zahlreichen Dokumenten beleuchtet.


Emigrationen - Lebensstationen eines Juden aus Deutschland
Wolf Zeev Ehrenberg
Verl. Chronos, Zürich
ISBN 3-905314-15-0

Die Familie des damals siebenjährigen Autors befand sich unter den knapp 80'000 deutschen Juden, die nach Palästina auswanderten. Nach den 1933 erlassenen Berufsverboten fiel seinem Vater, einem überzeugten Zionisten, die Entscheidung nicht schwer. Von Pforzheim, der süddeutschen Stadt am Rande des Schwarzwalds, wird der Zweitklässler an den fernen Rand des Mittelmeers katapultiert. In der kleinen, vorwiegend von Juden aus Osteuropa bewohnten Ortschaft Bne Brak in der Nähe von Tel Aviv mausert er sich rasch zu einem hundertprozentigen Hebräer. Die Beschreibung einer Kindheit in dem von Grossbritannien verwalteten Palästina lässt bereits die Konflikte im späteren jüdischen Staat erahnen, welche einerseits die Araber von den Juden, andererseits die säkularen von den orthodoxen Juden trennten. Dagegen ist die Spannung zwischen orientalischen und europäischen Juden noch kaum aktuell, um so mehr aber diejenige zwischen ost- und westeuropäischen Juden.
Mit der Aufnahme des Ingenieurstudiums in Zürich 1946 wird der nun Zwanzigjährige mit der helvetischen Nachkriegswirklichkeit konfrontiert. Er schwankt zwischen Bewunderung und Ablehnung, vieles bleibt ihm unbegreiflich. Nach dem Abschluss des Studiums und der Gründung einer Familie macht seine Integration rasche Fortschritte. Zwei Themen werden ihn ein Leben lang beschäftigen: die Doppelbödigkeit des technisch-wissenschaftlichen Fortschritts und - aufgrund seiner starken Bindung zum Land seiner Jugend - die von der Geschichte überrollten palästinensischen Araber.
Das Buch ist eine Collage aus Erinnerungen und Reflexionen, Tagebuchaufzeichnungen und Briefen, das den Schwerpunkt der Betrachtungen auf die Jahre des Heranwachsens und des jungen Erwachsenenalters legt.

Wolf Z. Ehrenberg
1926 in Süddeutschland geboren, wuchs nach seiner Auswanderung 1933 in Palästina auf. Nach seinem Studium an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich und mehrjähriger Ingenieurtätigkeit arbeitete er bis zu seiner Pensionierung 1991 als Dozent an der Fachhochschule in Biel-Bienne.

Insel Schweiz
Hilfs- und Rettungsaktionen sozialistisch-zionistischer Jugendorganisationen 1939-1946
Mit einem Vorwort von Prof. Yehuda Bauer
Heini Bornstein, Taschenbuch
Verl. Chronos
ISBN: 3905313804

Nach dem 21. Zionistenkongress im August 1939 in Genf verliessen alle zionistischen Emissäre Europa - mit Ausbruch des Krieges wurde der Kontakt zwischen Europa und Palästina abgebrochen. Einzig die verschiedenen jüdischen Instanzen in Genf hielten den Kontakt mit den Führern der jüdischen Gemeinden in den von den Nazis besetzten Ländern aufrecht. Von der Schweiz aus wurden umfassende Hilfsaktionen organisiert. Heini Bornstein, 1920 in Basel geboren, war Mitglied der zionistischen Jugendbewegung «Haschomer Hazair». Er half mit, ein Verbindungsnetz der zionistisch-sozialistischen Jugendbewegungen, insbesondere seiner Jugendbewegung, zu errichten.
In diesem Buch beschreibt er die Flüchtlingspolitik der Schweiz, das Dilemma der Schweizer Juden und die Rettung von Hunderten von Flüchtlingen auf illegalen Wegen in die Schweiz. Von der Schweiz aus wurden Lebensmittelpakete und Medikamente in die Ghettos und in die Konzentrationslager gesandt. Bornstein berichtet auch darüber, wie die jüdischen Untergrundbewegungen in Polen, Ungarn, Rumänien und der Slowakei mit Schweizer Dokumenten sowie mit südamerikanischen Pässen versorgt wurden. Mit Kurieren wurden Gelder und Informationen überwiesen. Auch die intensiven Verbindungen mit den jüdischen Widerstandsbewegungen in Frankreich, Belgien, Italien kommen zur Sprache.
Viele der zahlreichen in diesem Buch veröffentlichten Briefe zwischen dem Verfasser und den Führern der jüdischen Widerstandsbewegung in den verschiedenen Ländern sind in einer Geheimsprache geschrieben, die Heini Bornstein für die heutige Leserschaft entschlüsselt. Diese Briefe, meist mit Kurieren in die Schweiz gebracht und auch an die Zentralen in Palästina, Amerika und England weitergeleitet, sind einzigartige Zeugenaussagen zur Shoah. Sie machen deutlich, dass jede noch so kleine Hilfe als Zeichen der Unterstützung gewertet wurde.
Bornsteins Buch zeigt eindrücklich, dass für die Opfer des Naziterrors mehr hätte getan werden können - von allen Seiten.


Die Schweiz und die Juden 1933-1945
Jacques Picard
Gebundene Ausgabe (1997)
Verlag Chronos, Zürich,
ISBN: 3905311224

Das flüchtlingspolitische Kapitel der Schweizer Geschichte im Zweiten Weltkrieg ist von der Geschichtsforschung bereits aufgehellt worden. Die Studie von Jacques Picard bringt eine andere Dimension in den Blick: den Zusammenhang von schweizerischer Judenpolitik und internationaler Migrationspolitik.
Das Verhältnis der Schweiz zu ihren eigenen wie zu den fremden Juden wird anhand eines Drei-Kreise-Modells erörtert: im äußersten Kreis die internationale Szene, vorab das Dritte Reich, das faschistische Italien und die westliche Alliierten; in einem mittleren Kreis die Schweiz, geprägt von judenfeindlichen Haltungen und einer außenpolitischen Strategie der Anpassung und Beschwichtigung; und in einem inneren Kreis die jüdische Minderheit, deie diesem doppelten Druck standzuhalten versucht und wiederum ihre eigenen Flüchtlinge zu versorgen und zu disziplinieren gezwungen ist.

 
Die Rückkehr des J-Stempels

Georg Kreis
Taschenbuch (2000)
Verlag Chronos, Zürich
ISBN: 3905313340

Der für den deutsch-schweizerischen Grenzverkehr 1938 eingeführte J-Stempel hat drei Geschichten: eine Vorgeschichte, eine Nachgeschichte und eine Gegenwartsgeschichte. Die Geschichte seiner Gegenwart ist die wichtigste. Hier muss nachgewiesen werden, welche Menschen unter welchen Umständen wegen dieses Stempels an der Flucht vor ihren künftigen Mördern gehindert wurden. Es gibt diese Geschichte, wir kennen sie jedoch kaum. Die Vorgeschichte dagegen ist die bisher am stärksten beachtete und am heftigsten diskutierte und betrifft die Verhältnisse und Vorgänge, die zur Regelung von 1938 geführt haben. Warum zum J-Stempel eine Nachgeschichte? Es entspricht einem akademischen Interesse zu untersuchen, wie der J-Stempel historiografisch verarbeitet wurde. Dieser Längsschnitt kann die verschiedenen Positionen sichtbar machen und sagt zum Teil mehr aus über die Kommentatoren als über den Gegenstand. Eine Auseinandersetzung mit der Nachgeschichte erweist sich neuerdings auch als gesellschaftspolitisch nötig. 1997/98 ist im rechtsbürgerlichen Milieu eine Bewegung aufgekommen, die mit einiger Resonanz das bestehende Geschichtsbild zu revidieren versucht. Durch sie ist die Behauptung in Zirkulation gesetzt worden, der Schweiz werde seit mehr als vierzig Jahren immer wieder «fälschlicherweise» vorgehalten, für den J-Stempel verantwortlich zu sein. Die Studie zeigt, dass eine partielle Revision der personalisierten Schuldzuweisung keineswegs zu einer Entlastung der Schweiz führt. Die Schweiz wird allen revisionistischen Bemühungen zum Trotz den J-Stempel nicht los, er gehört zu ihrer Vergangenheit. Man kann sich aber darum bemühen, dass die darin zum Ausdruck kommende Mentalität kein bestimmendes Element ihrer Gegenwart ist. In den Jahren nach 1945 war der J-Stempel kein Thema. Erst über mehrere Etappen 1954, 1967 und 1973, dann 1994/95 erhielt er einen festen Platz im kollektiven Gedächtnis. Der Revisionismus der jüngsten Zeit hat auf diese wachsende Präsenz reagiert und damit diese Präsenz nur noch verstärkt.


Bankgeschäfte mit dem Feind
Gian Trepp
Gebundene Ausgabe - 236 Seiten (1996)
Verl. Rotpunkt, Zürich;
ISBN: 3858690651

Trepps spannend geschriebenes Buch verzeichnet minutiös die sinistren Aktivitäten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, die bereits während des Krieges der Öffentlichkeit nicht verborgen blieben und auf alliierter Seite zu wachsendem Widerstand gegen die BIZ führten.

Grüningers Fall. Geschichten von Flucht und Hilfe
Stefan Keller
Taschenbuch - 261 Seiten (1994)
Verl. Rotpunkt, Zürich
ISBN: 3858691577

Die große historische Reportage über den St. Galler Polizeihauptmann Paul Grüninger, der in den dreißiger Jahren seinem Gewissen und nicht den Gesetzen folgend zahlreichen Juden und Jüdinnen das Leben rettete.

Das Gold der verfolgten Juden
Isabel Vincent
Gebundene Ausgabe - 333 Seiten (1997)
Verl. Diana, München;
ISBN: 3828450032

England und die USA mussten es zugeben: Sie hatten nach Kriegsende Teile des in Schweizer Banktresoren verschwundenen Goldvermögens der Nazis und ihrer Opfer erhalten. Doch entscheidende Fragen blieben unbeantwortet: Wo sind die Hunderte von Millionen geblieben, die verfolgte Juden in die Schweiz brachten? Warum war die Schweiz bereit, für die Führungsriege der Nazis private Geheimkonten einzurichten? Warum konnten nach Kriegsende flüchtende Nazis noch mit Schweizer Hilfe rechnen? Die kanadische Journalistin Isabel Vincent, mit guten Verbindungen nach Südamerika, forschte über zwei Jahre lang nach dem Vermögen der Naziopfer; sie beschäftigte sich aber auch mit dem Schicksal jener Familien, die heute Gerechtigkeit fordern.

Bibliographie zur Geschichte der Juden in der Schweiz
Annie Fraenkel, Uri R. Kaufmann
Gebundene Ausgabe (1993)
Verl.Saur, K.G., Mchn.
ISBN: 3598111398


Ich, Carmen Mory
Das Leben einer Berner Arzttochter und Gestapo-Agentin (1906-1947)Caterina Abbati
1999. 262 S. 12 Abb. s/w Br.
ISBN 3-905313-03-0

Im Herbst 1932 liess sich Carmen Maria Mory, eine 26jährige Berner Arzttochter, in Berlin nieder. Sie war intelligent, attraktiv, vielseitig begabt und mit einem Instinkt für die richtige Begegnung zur richtigen Zeit versehen. Carmen Mory führte ein abenteuerliches Leben als Agentin der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) zuerst in Deutschland, später in Frankreich. Die Gestapo schickte sie auch regelmässig nach Zürich, um dort im antifaschistischen Verlegermilieu die Stimmung zu sondieren.
1940 wurde sie von einem französischen und 1947 von einem britischen Militärgericht zum Tode verurteilt. Das Todesurteil konnte in beiden Fällen nicht vollstreckt werden: In Frankreich wurde Carmen Mory von den Deutschen aus der Haft entlassen, in Hamburg entzog sie sich der Urteilsvollstreckung durch Selbstmord. «Es tut mir sehr leid, aber ich kann Ihre britische Hinrichtung nicht abwarten», schrieb sie dem englischen Ankläger in ihrem Abschiedsbrief.
Seit Februar 1941 war sie im Konzentrationslager Ravensbrück inhaftiert. 1944 wurde sie Blockälteste des Krankenblocks 10. Dort machte sie sich gemäss der britischen Anklage am Tod von Mithäftlingen schuldig.
Was bewog die junge Frau, die alle Voraussetzungen besass, ein komfortables Leben zu führen, im Dienst einer totalitären Macht zu spionieren und Menschen zu denunzieren? War Abenteuerlust im Spiel? Ging es um Geld- und Genusssucht, oder war es schlichter Opportunismus?
Anhand von Quellen aus Archiven in England, Deutschland und der Schweiz zeichnet die Autorin ein facettenreiches Persönlichkeitsprofil von Carmen Mory, die sie in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit zu erfassen versucht. Mit dieser Biographie wird auch ein Beitrag zur Geschichte der Beziehungen zwischen Nazi-Deutschland und der Schweiz in mikrohistorischer Perspektive geleistet.



Der Milliarden-Deal
Holocaust-Gelder - wie sich die Schweizer Banken freikauften

Pierre Weill, 272 Seiten, Weltwoche-ABC-Verlag, Zürich 1999,
ISBN 3-85504-179-2
Die Auseinandersetzung um die nachrichtenlosen Vermögen gilt als die grösste aussenpolitische Krise der Schweiz seit Ende des Zweiten Weltkrieges. Die Anschuldigungen und die Forderungen jüdischer Organisationen und Holocaust-Opfer haben die Fundamente der schweizerischen Bankenwelt erschüttert und das Geschichtsbild der Schweiz angekratzt. Fünfzig Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges sah sich die Schweiz plötzlich mit Vorwürfen aus den USA konfrontiert.
Dieses Buch zeichnet die Entstehung der Krise nach. Es zeigt auf, wie Falschmeldungen das Thema nachrichtenlose Vermögen in die Schlagzeilen der Weltpresse brachten und vom Jüdischen Weltkongress in New York mit dem Segen von US-Präsident Bill Clinton und Israels Premierminister Itzchak Rabin aufgegriffen wurde. Es schildert, wie ein Treffen in einer Bar zum Volcker-Prozess und eine manipulierte Frage in einem Interview mit dem damaligen Bundespräsidenten Jean-Pascal Delamuraz zur Schaffung des Humanitären Fonds führte. Beschuldigungen und Gegenbeschuldigungen, Behauptungen und Gegenbehauptungen, Enthüllungen und Vertuschungen, Zufall und Planung haben schliesslich zum New Yorker Vergleich geführt, den die Banken mit den Vertretern der jüdischen Sammelklägern erzielten.



Eine andere Schweiz

Helferinnen, Kriegskinder und humanitäre Politik 1933-1942
Antonia Schmidlin , Verl. Chronos, 1999. ISBN 3-905313-04-9

Die schweizerische Kinderhilfe hat ihren Ursprung in den 1930er Jahren. Das nationalsozialistische Regime und der Spanische Bürgerkrieg trieben Hunderttausende in die Flucht. In der Schweiz entstanden Hilfswerke, die auf privater Basis Pionierarbeit leisteten. In der konkret umgesetzten Hilfe und in der Zusammenarbeit über weltanschauliche, politische und konfessionelle Grenzen hinweg bauten sie grundsätzlich Neues auf. Diese Hilfeleistungen liefen der Haltung der schweizerischen Behörden zuwider, deren Flüchtlingspolitik antisemitische Züge trug und die Sympathien für die Achsenmächte hegten. Die private Kinderhilfe nahm sich jüdischer Kinder an und operierte ausserhalb der Schweiz vor allem im republikanischen Spanien oder im noch unbesetzten Frankreich. In der Kinderhilfe der 1930er Jahre manifestierte sich also gleichsam eine "andere Schweiz".
Diese erste umfassende Untersuchung (Dissertation an der Universität Basel) eines bisher weitgehend unerforschten Themas stützt sich auf umfangreiches unveröffentlichtes Quellenmaterial; sie bezieht Interviews mit ehemaligen Beteiligten mit ein.

Siehe auch:

Jugend auf der Flucht 1933-1948
Nettie Sutro, Europa Verlag 1952, vergriffen

Jugend auf der Flucht ist ein Tatsachenbericht. Nettie Sutro erzählt darin, wie eine Gruppe von Schweizerinnen und Schweizern auf eine Not, die sie ins Herz traf, antwortete. Es war die Not der verfolgten Kinder. Als Historikerin stellt die Verfasserin - 10 Jahre nach der grossen Flüchtlingswelle - die besonderen Erlebnisse dieser Jugend hinein in das gesamte grauenvolle Geschehen, das im Jahre 1933 in Deutschland seinen Anfang nahm und schliesslich kein Land der Erde unberührt liess.

Der Mann mit zwei Köpfen
Elena Lappin, Verl. Chronos, Zürich, 104 S. ISBN 3-905313-58-8



1995 erschien bei Suhrkamp ein erschütterndes Zeugnis des Holocaust mit dem Titel «Bruchstücke einer Kindheit, 1939-1948». Der Autor, der Schweizer Musiker Binjamin Wilkomirski, behauptete, im Buch die Erinnerungen an seine Kindheit während des Weltkriegs festgehalten zu haben: eine Kindheit als lettischer jüdischer Junge in Osteuropa. Früh schon von der Familie getrennt, verbrachte er Jahre in polnischen Konzentrationslagern und lebte als jüdische Waise in Krakau. Nach dem Krieg wurde er in die Schweiz gebracht und von einem wohlhabenden Zürcher Ehepaar adoptiert, das ihn nötigte, seine jüdische Vergangenheit zu vergessen. Doch Wilkomirski vergass nicht, und seine furchtbaren Erinnerungen hielt er in dem schmalen Buch fest, das in ein Dutzend Sprachen übersetzt und mit mehreren literarischen Preisen ausgezeichnet wurde.
1997 schrieb der Schweizer Journalist Daniel Ganzfried zwei Artikel in der «Weltwoche», in denen er ernsthafte Zweifel an der Wahrhaftigkeit von Wilkomirskis Erinnerungen an den Holocaust äusserte. Er wies nach, dass Wilkomirski als Bruno Grosjean, unehelicher Sohn einer alleinstehenden Mutter, in der Schweiz geboren wurde und sich niemals - «ausser als Tourist» - in einem Konzentrationslager aufgehalten hatte. Gemäss Ganzfried war das Buch nichts als ein Betrug.
Elena Lappin, britische Schriftstellerin, Journalistin und ehemals Herausgeberin des «Jewish Quarterly» in London, hat die Geschichte Binjamin Wilkomirskis gründlich untersucht. Sie sprach mit Historikern, Zeugen, mit Wilkomirski selbst, mit Leuten, welche die Geschichte glauben, und solchen, welche sie nicht glauben. Die überraschenden Folgerungen ihrer Forschung sind im vorliegenden Buch enthalten: Weit davon entfernt, etwas mit dem Holocaust zu tun zu haben, stellt sich «Bruchstücke» als eine sehr schweizerische Geschichte heraus.



Der Fall Wilkomirski
Stefan Mächler
Taschenbuch (2000)
Verl. Pendragon Günther Butkus;
ISBN: 3858423831

Brief an den Autor
Presseschau zum Buch

Wilkomirski: Tatsachenbericht als Roman entlarvt
QU: news.ch, 18. Juni 2000
Schweizer Historiker: Wilkomirskis Holocaust-Buch ist Erfindung

Zürich - Die bei ihrem Erscheinen weltweit gewürdigten Holocaust-Erinnerungen von Binjamin Wilkomirski (»Bruchstücke») sind nach dem Urteil eines Schweizer Historikers eindeutig eine Fälschung.
Stefan Mächler, der die Kindheit des Autors erforscht hat, kommt zum Schluss: «Es besteht nicht der geringste Zweifel, dass Binjamin Wilkomirski mit Bruno Grosjean identisch ist und seine in ,Bruchstücke' niedergeschriebene Geschichte einzig und allein in seinem Denken und Empfinden stattgefunden hat.» Die «Sonntagszeitung» veröffentlichte Auszüge aus dem Buch, das Mächler nächste Woche über den Fall veröffentlicht.
Wilkomirskis Werk war 1995 im Suhrkamp-Verlag erschienen und hatte weltweit Betroffenheit ausgelöst. Darin schildert der Autor seine vermeintliche jüdische Kindheit im Konzentrationslager. Er sei später von einem Schweizer Ärzteehepaar adoptiert worden. Der Autor erhielt zahlreiche Preise und hielt Vorträge in aller Welt.
Drei Jahre später entlarvte der Schweizer Autor Daniel Ganzfried Wilkomirski alias Grosjean als in Biel geborenen Sohn von Yvonne Grosjean.
Wilkomirski bleibt bis heute dabei: «Ich bin nicht bereit, auf Druck von aussen meine Erinnerungen zu leugnen.»
Der Suhrkamp-Verlag hat das Buch inzwischen zurückgezogen. Der Historiker Mächler fand Freunde des jungen Grosjean, die den angeblichen Wilkomirski auf Fotos eindeutig identifizierten. Ein angeblich polnischer Bauernhof, den Wilkomirski in seinem Buch beschreibt, steht in Nidau BE. Mächler machte auch Wilkomirskis leiblichen Vater aus. Der 79-jährige sei zu einem DNA-Test bereit, doch Wilkomirski lehne das ab.



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© Aktion Kinder des Holocaust