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Therapeutische Methode und Wirksamkeit in Beth Weiners Buch
"Wo Leben ist, ist Hoffnung"
Von Samuel Althof
Neu: Weitere Recherchen
Rezension:
Auf dem Buchdeckel von Beth Weiners Erstlingswerk Wo Leben
ist, ist Hoffnung steht: " Erst als ich das Leiden losliess,
fand ich das Glück.". Beth Weiners Bericht will eine
Beschreibung ihrer "Lebensreise" und eine Anleitung
dazu sein, wie und wo das "Glück" zu finden sei.
Beth
Weiner wurde 1924 als Elisabeth Wolff in Neustadt an der Weinstrasse
in eine gutbürgerliche und wohlhabende jüdische Familie
geboren. "Mein Vater war ein angesehener Bürger, der
praktisch alle in der Stadt kannte". Als Hitler an die Macht
kam war das Kind Beth neun Jahre alt. Ihr Vater und ihr Bruder
wurden für kurze Zeit im Konzentrationslager Dachau interniert.
Mit 12 Jahren floh sie, z.T. von ihrer Familie getrennt, erst
nach Holland und 1940 via England in die USA. Sie arbeitet als
Dienstmädchen in verschiedenen Familien. Als sie 19 Jahre
alt war, lernte sie ihren zukünftigen Mann kennen, mit dem
sie später 3 Kinder hatte. Auch er war vor den Nazis geflohen.
Sie bewohnte mit ihrer Familie ein grosses Haus, lebte in Wohlstand
und beschreibt ihre Ehe, obwohl sie "zwei Autos besassen"
als "Leises Unglück". Beth Weiner fühlte sich
in ihrer Rolle als Mutter "nicht mehr genügend ausgefüllt"
und sah sich "vom Leben ausserhalb meiner vier Wänden
abgeschnitten."
Mit
verschiedenen Jobs, einmal als Telefonistin und dann als Verkäufern
in einem Auktionshaus versuchte sie ihre Lebenssituation zu verbessern.
Das "leise Unglück" schien aber nicht zu vergehen
und der Gedanke "was stimmt bloss mit mir nicht" beschäftigte
sie zunehmend. Dies war der Anfang einer schier endlosen Reihe
von Therapien, Kursen und Ritualen, die Beth Weiner zur Scheidung
von ihrem Mann, zum Verkauf ihres Hauses, zur quer durch die USA
in einem VW-Bus Fahrenden, zur Assistenz bei der Sterbebegleiterin
Elisabeth Kübler-Ross (die Zusammenarbeit endete im Streit)
und schliesslich zum Austritt "aus dem Club der Leidenden"
verhelfen sollten. Beth Weiners Karriere als "Psychotherapeutin",
Autorin und Vermittlerin von Glück und Hoffnung begann.
Auf
mehr als 100 Seiten beschreibt die Autorin nun dem Leser ihre
Ängste, ihre Hemmungen und Probleme in den verschiedensten
Beziehungen und die Lösung ihrer ganz normalen Alltagsprobleme,
empor stilisiert zu heroisch, mutigen Schritten oder göttlichen
Fügungen. Ihr Therapieziel wird für sie immer klarer:
" Ich muss nur darauf achten, dass ich wieder im Begriff
bin, meiner Sucht zum Negativen hin zu verfallen, und sie verliert
ihre Macht über mich. Das ist tatsächlich so."
Einem Genie gleich entwickelt sie fast zufällig dabei ihre
Methoden, mit welchen sie "mir selbst und später dann
auch meinen Klienten helfen würde." Hatte sie Angst
alleine in einem Restaurant z.B. auf ihre Bekannte Marilyn zu
warten, war Ihre Lösung, die in ihrem Buch gleich einem Allerweltsrezept
angeboten wird, Autosuggestion: Sie versuchte auf die anwesenden
Gäste ihre Freundin Marilyn zu projizieren um damit (Schein-)Vertrauen
zu erzeugen: "Ich wollte in allen Marilyn sehen." Sich
selbst bestätigend fügt Beth Weiner Mantra artig an:"
Wenn es schwer fällt, lohnt es die Mühe; wenn es leicht
fällt, ändert sich nichts." Und weiter: "Wenn
ich denke, dass ich etwas kann - oder wenn ich denke, dass ich
etwas nicht kann - habe ich recht."
Beth
Weiner besuchte Seminare z.B. über "Tod und Sterben".
Sie reiste Quer durch die USA, denn "auf der Spitze meiner
Prioritätenliste [stand] das eigene Wachsen."
Auf ihrer Reise überlebt sie, sich selbst mystifizierend,
wie durch ein Wunder, denn sie hatte auf "ihre innere Stimme
gehört", die "mich gedrängt hatte, weiter
zu fahren" einen Bergrutsch, dem mehrere Menschen zum Opfer
gefallen waren. Der Leserschaft wird schnell klar gemacht, dass
sie es bei der Autorin mit einer Person zu tun hat, die mit einer
besonderen Aura umgeben ist, denn gut getimed, schon am Anfang
des Buches, nehmen wir zur Kenntnis: "Schon nach wenigen
Tagen auf dieser Welt wäre ich ums Haar gestorben. Mir blieb
ein Schleimpfropfen im Hals stecken."
Wer will nach solchen Beweisen der Unerschütterlichkeit,
der Überlebensfähigkeit und der Kenntnis dem "Leisen
Unglück" entgegen zu treten, noch Zweifel oder Fragen
zur therapeutischen Methodik und Wirksamkeit von Beth Weiner aufkommen
lassen?
Der
Aufbau des Buches lässt solches schwer zu. Jetzt, nach 160
Seiten Schilderung einer "heroischen" Lebens- und Holocaustbewältigung,
schreibt die Autorin sodann das Kapitel:
"Ich
heile andere"
"Es war nicht leicht gewesen, mich systematisch um mein eigenes
Weiterwachsen zu bemühen", schreibt Beth Weiner in ihrem
Buch, ohne aber zu erklären, wie "systematisch"
verstanden werden soll.
Es folgen auf 40 Seiten 13 Fallschilderungen ihrer therapeutischen
Arbeit, bei welchen man Sätze findet wie: "Hierauf wies
ich sie an", "Sie schien zu begreifen, dass ich ihr
beizubringen versuchte", "Ich bat sie sich dem Kind
zu erkennen zu geben", "Hierauf forderte ich sie auf"
und "Ich liess wieder etwas Zeit verstreichen".
Alle die von Beth Weiner geschilderten Therapien sind, entgegen
der alltäglichen Praxisrealität, positiv verlaufen.
Beth Weiner beschreibt die Wirkung ihre Arbeit immer wieder als
"Wunder", als "heilige Momente" und als "Liebe".
Sogar
auf die Verarbeitung der grössten Katastrophe unserer Zivilisation
will Beth Weiner ihr Rezept anwenden. Man muss nur, wie sie es
getan hat, aus dem "Club der Leidenden austreten" und
schon ist "diese Welt ein wunderbarer Ort zum leben, ganz
gleich wo! Als ich dies entdeckte, war es, als erwache ich aus
einem bösen Traum."
Dass nicht nur Alltagsprobleme, sondern auch die Auswirkungen
des Holocausts, - nicht nur bei den Opfern, nein, auch auf der
Seite der Täter - zu bewältigen sind, ist laut Beth
Weiner ebenso durch den Entschluss zum Austritt aus dem "Club
der Leidenden" möglich. Sich selbst bestätigend,
polemisiert sie: "Ich kenne viele Menschen, die bis zum heutigen
Tag des Glaubens sind, dass das Leiden weiter gehen muss, damit
die Entsetzlichkeiten des Holocausts nie in Vergessenheit geraten."
Das
Buch ist lesenswert. Denn es ist eine bedrückende Schilderung
von Methode und Behandlungssequenzen, worin mittels Suggestion
und autoritativen Konzepten die Klientel an die Autorin als Therapeutin
fixiert wird.
Wo
Leben ist, ist Hoffnung
Beth Weiner, 208 S.
Verl. Herder, 2001
ISBN: 3-451-27553-8
Weitere Recherchen
Beth Weiner hebt in ihrem Buch immer wieder ihre Ausbildung bei
der Sterbebegleiterin Elisabeth Kübel-Ross hervor. Es lohnt
sich einen Blick auf diese Frau zu werfen um zu verstehen wie
skandalös die Zusammenarbeit einer jüdischen Shoah-Überlebenden
mit dieser Frau ist. Elisabeth Kübler Ross veröffentlichte
einen grossen Teil Ihrer Bücher im Verlag "Die
Silberschnur". Dieser Verlag gehört dem berüchtigten
Antisemiten und vorbestraften Trutz
Hardo (Pseudonym für Tom Hockemeyer).
Wer
ist Trutz Hardo?
Trutz Hardo ist Autor des antisemitische Machwerk Jedem das
Seine, das ihm eine Verurteilung wegen Volksverhetzung und
Beleidigung des Andenkens Verstorbener einbrachte. "Ende
1996 nahm die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen wegen Volksverhetzung
und Beleidigung des Andenkens Verstorbener auf. Im Mai 1998 wurde
Hockemeyer vom Amtsgericht Neuwied in beiden Anklagepunkten für
schuldig befunden und zu einer Geldstrafe von 4.000 Mark verurteilt."
(mehr über Trutz
Hardo)
Elisabeth
Kübler-Ross hatte keinerlei Bedenken zusammen mit und bei
Trutz Hardo ihren Band "Warum
wir hier sind" zu veröffentlichen.
Es
stellt sich also zusätzlich zur Kritik in meiner Rezension
die dringende und berechtigte Frage, warum sich Beth Weiner nicht
von Kübler-Ross deutlich und klar abgrenzt, hätte sie
doch wissen müssen, dass ihre Lehrerin mit einem berüchtigten
Antisemiten zusammen arbeitet und sein Gedankengut (siehe Jedem
das Seine von Trutz Hardo) teilt?
Beth
Weiner schreibt in ihrem Buch, rückblickend auf die Zusammenarbeit
mit Kübler-Ross: "Mir war das Privileg beschieden, eng
mit einer Frau zusammenarbeiten zu dürfen, die dank ihrer
Arbeit mit ihren Sterbepatienten und durch ihre Hospizarbeit unzähligen
Menschen auf der ganzen Welt neuen Mut geschenkt hat. Dessentwegen
hege ich weiterhin für Elisabeth ungeheuren Respekt.
Dass
ich nicht nur ihre Freundin sein, sonder auch ihr volles Vertrauen
auf meine Arbeit mit vielen ihrer Klienten geniessen durfte, hat
mir zweifellos in vielerlei Hinsicht ungemein geholfen, wofür
ich ihr für immer sehr dankbar bleibe."
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