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   gegen rechtsextrem
   QU: cash, 11. Januar 2001

 

Samuel Althof kämpft an zwei Fronten. Mit der «Aktion Kinder des Holocaust» setzt er Behörden und Internetprovider unter Druck, rechtsextreme Sites vom Netz zu nehmen. Daneben sieht er sich harscher Kritik von Zensurgegnern ausgesetzt.

Von Christian Weishaupt

«Wir wollen nicht, dass alle Menschen gleich sind. Wir setzen uns lediglich dafür ein, dass sich die Menschen der Problematik der Wertunterschiede bewusst sind.» So umschreibt Samuel Althof den Zweck der Aktion Kinder des Holocaust (AKdH). Viel mehr ist ihm über die Menschenrechtsgruppe nicht zu entlocken, selbst die Zahl der Mitglieder will Mitbegründer und Sprecher Althof nicht bekannt geben. Aus strategischen, aber auch aus Sicherheitsgründen: Die AKdH arbeitet unter anderem als Pressure Group im Kampf gegen extremistische Gruppierungen. Dabei entsteht ihr ein Vorteil, wenn niemand weiss, woher der Druck genau kommt und wer dahinter steht. Dieser Umstand dürfte beim bisher medienwirksamsten Einsatz der Gruppe eine Rolle gespielt haben: Im Februar vergangenen Jahres hatte sie trotz unklarer Rechtslage mit einer einfachen Strategie dafür gesorgt, dass die Webadressen rechtsextremer Gruppierungen von Schweizer Internetprovidern gesperrt wurden.

Samuel Althof, um die 40, ist geprägt von den Erfahrungen seiner Eltern, die vor den Nazis hatten flüchten müssen. Obwohl erst nach dem Krieg geboren, hat das Thema «Verfolgung» sein Leben in gleicher Weise geprägt wie das hunderttausender anderer.

Als sich 1991 kurdische Flüchtlinge in einer Kirche in Flüeli Ranft verschanzten, um auf die Ausweisungspraxis der Schweiz aufmerksam zu machen, konnten und wollten Althof und andere, die Erfahrungen mit dem Holocaust und dessen psychologischen Nachwirkungen haben, nicht

Aufsehen erregende Aktion gegen rechts

Die Aktion Kinder des Holocaust (AKdH) wurde vor gut zehn Jahren gegründet. Ihr Zweck ist der Kampf gegen Rassismus jeglicher Art, insbesondere aber gegen den Rechtsextremismus. Ebenso will die Gruppe aktiv sein bei Fragen der Integrationspolitik, der Gewaltprävention, der interkulturellen Pädagogik und der Friedensarbeit, vor allem im Nahost-Konflikt. Die Mitglieder der AKdH stammen aus den verschiedensten Berufsfeldern: Ihr gehören Pädagogen, Psychologen, Juristen, Politiker, Künstler, Sprachwissenschaftler, Journalisten und viele andere an.

Im Februar 2001 ist der Gruppe ein Aufsehen erregender Coup gelungen: Über 750 rechtsextreme Webseiten wurden auf ihr Betreiben hin mit der Sperrung eines einzigen US-Servers aus dem Internet verbannt. Die Strategie, die dazu führte, war ebenso simpel wie effizient: In einem ersten Schritt meldete Samuel Althof der Bundespolizei einige rechtsextreme «Schweizer» Webseiten (auf «.ch» endende Adressen oder physisch in der Schweiz gespeicherte Dateien).

Diese wiederum forderte die meist kleineren Host-Anbieter - die Dienstleister, auf deren Rechner die Webseiten gespeichert waren - dazu auf, die Sites zu löschen. Die Autoren und Betreiber der Webseiten mussten sich daraufhin einen Unterschlupf suchen und landeten beim US-Hosting-Anbieter «front14. org», einem Sammelbecken für zahllose Sites rechtsradikaler Ausrichtung. Genau das hatte AKdH vorausgesehen. Jetzt konnte man bei Providern wie Swisscom oder Diax/Sunrise Druck machen. Weil es sich nur um eine einzige Hauptadresse handelte, willigten die Provider ein, diese zu sperren. Mit einem Schlag waren hunderte von rechtsextremen Seiten für Schweizer Surfer nicht mehr erreichbar.

 
    mehr schweigen. Dies war die Geburtsstunde der AKdH. Inzwischen hat die Aktion immer wieder Fälle von Rassismus angeprangert,vielfach im Zusammenhang mit Veröffentlichungen von Holocaust-Leugnern im Internet - einer Domäne, um die Juristen mangels Präzedenzfällen lieber einen Bogen machen.
Aber Althof ist auch gar nicht Jurist. In seinem «anderen» Leben ist er psychologischer Berater und hat Familie. Zu ihrem Schutz redet Althof nicht gern über sein Privatleben. «Schneller, als man denkt, wird man zur Zielscheibe für Angriffe von rechts.»

Schriftliche Angriffe und gar Morddrohungen sind für Althof und zwei weitere Sprecher der Kinder des Holocaust keine neue Erfahrung. Sie stehen an vorderster Front der AKdH. «Wir müssen vorsichtig sein», sagt Althof. «Dies gilt jedoch nicht nur für Sprecher der AKdH, sondern für alle, die sich gegen Neonazis oder Rassisten stellen. Es ist eine ungemütliche und schwierige Aufgabe.»

Unangenehm auch darum, weil sie sich nicht immer nur mit den eigentlichen Zielgruppen anlegen müssen. Der Ruf der AKdH nach mehr Kontrolle im Internet, das bisher ein ideales Medium für Sektierer und Hetzer war, stösst auch vielen sauer auf, die mit den Rechtsextremen ebenso wenig am Hut haben. Es sind Gruppen und Bewegungen, die sich für freie Meinungsäusserung einsetzen und für die das Internet die Erfüllung aller Träume war. Sie werfen den Holocaust-Kindern vor, der Zensur das Wort zu reden.

Althof antwortet ihnen mit zwei Gegenfragen: «Was tut ihr, damit das Internet nicht vermüllt?» Und: «Was ist euch wichtiger, freie Meinungsäusserung oder Menschenleben?» Damit macht Althof keinen Hehl aus seiner Ablehnung der «Free-Speech-Fetischisten», wie er sie nennt. Er lässt schon gar nicht das Argument gelten, die Hass-Webseiten böten Rassismusgegnern Gelegenheit, sich über die Methoden der Rechtsextremen zu informieren.

An Fachwissen über Neonazismus oder Rassismus könne man auch auf andere Weise kommen: «Der Informationsgehalt einer Neonazi-Website fängt hinter dem Komma an und hört auch dort wieder auf.» Die fraglichen Websites, davon ist er überzeugt, haben in der Vergangenheit direkt oder indirekt zu Gewaltakten geführt, und das sei ein zu hoher Preis für Anschauungsbeispiele schriftlicher Hetze.

Dass der Kampf gegen den Rechtsextremismus auch eine Sisyphusarbeit und manchmal trostlos ist, will Althof nicht leugnen. Trotzdem streicht er die positiven Seiten hervor. Er habe auch miterleben können, wie sich Neonazis auf sein Engagement hin frisch orientiert, der Basis ihres Lebens den Rücken gekehrt und neu angefangen hätten. Das seien Erfahrungen, die für vieles entschädigten. Auch nach zehn Jahren aktiver und erfolgreicher Arbeit denkt Althof nicht ans Aufhören, wünscht sich jedoch, dass die Organisation etwas zur Ruhe kommen kann. Die Voraussetzung wäre, dass Neonazi zu sein in Zukunft unter den Jungen wieder weniger hip sein würde.

Der Sprecher der Aktion Kinder des Holocaust setzt sich erfolgreich für die Sperrung von Websites mit rechtsextremen Inhalten ein. Aus Sicherheitsgründen möchte er unerkannt bleiben.

 




© Aktion Kinder des Holocaust