Nach dem Verbot der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland schrieb der Dornacher Vorstand folgenden Brief an Adolf Hitler

An den Führer und Reichskanzler
Herrn Adolf Hitler
Berlin, 17. November 1935


Ew. Excellenz!

Die unterzeichneten Mitglieder des Vorstandes der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft mit Sitz in Dornach bei Basel (Schweiz) sehen sich gezwungen, Ew. Excellenz mit der dringenden Bitte um gütige Hilfe in folgender Angelegenheit zu bemühen.

Wie wir erfahren, ist in diesen Tagen durch eine Verfügung der Geheimen Preussischen Staatspolizei die Anthroposophische Gesellschaft im Gebiete des Deutschen Reiches aufgelöst worden Die hierfür seitens der betreffenden Instanz angegebenen Gründe gehen aus beiliegender Abschrift hervor. Wir müssen gegen diesen Auflösungsakt und besonders die dafür gegebenen Begründungen Protest einlegen, da diese den Tatsachen in keiner Weise entsprechen.
Die Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft, die im Jahre 1923 von Dr. Rudolf Steiner konstituiert und begründet wurde, hat zu irgendwelchen freimaurerischen, jüdischen, pazifistischen Kreisen irgendwelche Beziehungen oder auch nur Berührungspunkte nicht gehabt. Die arische Abstammung Rudolf Steiners ist überdies vom Rassepolitischen Amt in Berlin ausdrücklich bestätigt worden. Auch die Bezeichnung der Gesellschaft als ,international eingestellt' ist in dem in der Auflösungsbegründung gebrauchten Sinne durchaus unzutreffend, da die Beziehungen unter den Mitgliedern der einzelnen Länder sich lediglich auf den Gedankenaustausch in wissenschaftlichen und künstlerischen Fragen beschränken, wie ihn jede gute wissenschaftliche und künstlerische Vereinigung in Deutschland und im Ausland pflegt.
Zahlreiche Persönlichkeiten aller Kulturländer werden gern bestätigen, dass gerade die Vortragenden und Künstler der Anthroposophischen Gesellschaft weite Kreise des Auslandes für das deutsche Geistesleben interessiert haben, ja dass sogar viele z.B. englisch sprechende Persönlichkeiten, um die Quellen im Original kennenzulernen, die deutsche Sprache erlernt haben.
Ausserdem hat die Pädagogik, wie sie an der Waldorfschule und anderen Schulen in Deutschland nach den Richtlinien Rudolf Steiners gepflegt wird, in vielen ausserdeutschen Ländern grösste Anerkennung gefunden und vorbildlich gewirkt. Mit besonderem Interesse verfolgen z.B., wie sich erst kürzlich wiederum auf dem New Yorker Kongress gezeigt hat, große amerikanische Lehrer-Verbände gerade die Entwicklung dieser Schulen
Durch die oben charakterisierten Massnahmen gegen die Anthroposophisch Gesellschaft entsteht nun die bei weiten, Deutschland freundlich gesinnten Kreisen des Auslandes die folgende völlig unverständliche Situation: dass eine Gesellschaft, die als wertvolle und aktive Vertreterin des deutschen Geisteslebens angesehen ist, plötzlich in Deutschland selbst aufgelöst wird, und zwar mit einer Begründung, die den Tatsachen nicht entspricht.
Auf das allerentschiedenste muss aber Verwahrung dagegen eingelegt werden, dass in dem Schreiben der Geheimen Preussischen Staatspolizei aus diesen nicht zutreffender Motivierungen auch noch die Behauptung abgeleitet wird, dass die Anthroposophische Gesellschaft in Deutschland "staatsfeindlich" sei. Wie aus dem Obigen und aus näheren Nachprüfungen ohne weiteres hervorgehen wird, stellt eine solche Bezeichnung eine völlig ungerechtfertigte Diskriminierung einer in wertvollster Weise für das Deutschtum eintretenden Gesellschaft dar.
Die Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft, die in allen Kulturstaaten der Erde (mit Ausnahme von Sowjet-Russland) durch Mitgliedergruppen vertreten ist, fühlt sich dem deutschen Geistesleben besonders verpflichtet und schaut deshalb in grosser Besorgnis auf das Schicksal ihrer deutschen Freunde. Wir bitten daher Ew. Excellenz, bei den zuständigen Instanzen die Aufhebung der diskriminierenden Bezeichnung als "staatsfeindlich" und die Rückgängigmachung der Auflösung gütigst veranlassen zu wollen.

Wir haben die Ehre, Ew. Excelenz die Versicherung unserer ausgezeichnetsten Hochachtung auszusprechen.

Der Vorstand der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft
gez. Albert Steffen, Marie Steiner, geb. v. Sivers, Dr. Guenther Wachsmuth

aus Flensbuger Hefte: Nr 32, S. 62ff

Rudolf Steiners Ariernachweis

Anthroposophisches Rassedenken und antisemitische Denkstereotypen: berühmte "Einzelfälle"?

 
 



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